Anna Barbara Fenstermacher (1709-1790)

Unsre selige Schwester Anna Barbara Fenstermacherin[1]

hat von ihrem Lauf durch diese Zeit

selber folgendes aufsetzen lassen.

Ich bin ao 1709. d 28t Merz, zu Erstatt, in der Pfalz, geboren, mein Vater Martin Rente war
Bürger und Schmidt daselbst.  Meine Eltern haben
mich zu der lutherischen (Kirch) erzogen, u es war
auch meine große Freude in {die}  Kirch hinein zu gehen.
In meinem 12t Jahr bin ich das erstemal
zum h. Amahl gelangt u. bald drauf kam ich
zu fremden leuten.  Im 18tn Jahr hab ich meinen ersten Mann, Michael Leibert, genommen und
habe ihm 10. Kinder geboren, 6. Söhne und
4. Töchter.[2]  Meinen ersten Sohn, habe ich noch
in meines Vaters Haus geboren und bey dieser
Geburth bin ich erweckt worden, da ich in meiner
Seelen-Noth zum Heiland schrie, hat er mir meine
Sünden vergeben u. da habe ich meine Seeligkeit
recht gefühlt.  Wie ich wieder beßer war, da
habe ich viel geweint, da fragte mich meine
Mutter:  warum weinst du so, du hast ja
einen Sohn!  Ich gab ihr zur Antwort; weil
ich nicht gestorben bin und bin so seelig und
muß wieder in die Welt hinein u. von der
Zeit an, war ich immer verlegen, wie ich die Gnade
bewahren möchte.  Ao 1727. sind wir in dieses
Land gezogen u. da wir schon den Abschied ge-
macht hatten u. ich fort gieng, so kam mir meine
Mutter nach u. sagte, sie hätte noch was mit mir
zu reden u. wir sezten uns nieder, so fieng
sie an:  “Wenn du in das land kommst, so denke
nicht an gros Reichthum zu gewinnen, sondern
/// vors erste, so nimm deine Kinder in acht,
daß sie keinen Schaden kriegen u. von Schlangen
gebissen werden oder dergl.  Zweitens habe ich schon
lang gehört, daß überm See eine Gemeine
Gottes soll aufgerichtet werden, wie es in den
apostolischen Zeiten war u. wenn du davon hörst,
so denke nicht, daß du in solcher u. solcher Religion
auferzogen bist |ihr Mann war Catholisch| sondern
halte dich zu ihnen, sie halten viel vom Leiden
Christi, sie gehen ab und zu, wenn aber nur 3.
beysammen sind, so bleib du bey ihnen, denn es
muß wieder so werden, wie es vor alters war.”  und
so mehr.        Das hat mir einen Eindruck ge-
geben, daß ich immer daran gedacht habe.
Einmal hatte ich eine große Krankheit, da
habe ich auch wieder meine Seeligkeit gefühlt u.
in meinem Herzen war es mir immer, es würde
das Volck kommen, wo mir meine Mutter davon
gesagt hat u. wie die Brüder ins Land kamen,
so habe ich geglaubt, daß sie das Volck sind, ehe
ich sie gesehen habe.  Den Grafen v. Zinzendorff
habe ich am ersten hören predigen; habe aber
auch Verfolgung genug gekriegt.
Darauf sind wir 1742. im Merz in die Stadt[3]
gezogen, wo mein Mann nur noch 6. Monath
lebte.  Da war ich eine Witwe mit 9. Kindern,
so lange bis ich 4. davon bey der Brr Gemeine
hatte.  Darnach         wurde ich getraut, zu
meinem seligen Mann, Christman Fenstermacher.
d. 1tn Septr 1764. sind wir nach Litiz gezogen
welches mir schwer fiel, weil ich Kinder da in Philad hatte
/// und noch an der Welt hieng.  So weit aus
ihrem Aufsatz.

1744. wurde sie in Philadelphia in die Brüder Gemeine
aufgenommen u. 1746. zum h. Amahl admittirt.
1768. wurde sie zum 2tn mal Witwe in Litiz,
auf ihr sehnliches Bitten, erhielt sie Erlaubniß
nach Bethlehem zu ziehen und war eine
der ersten Einwohnerin im Witwen-Chor-Haus
wo sie recht vergnügt und selig war,  sie bezeugte
oft, daß sie nun ihre ruhigste u. vergnügteste
Zeit habe u. war mit allem zu frieden.
Die schönen Gottesdienste in der Gemeine waren
ihr unschätzbar u. so lange sie nur konnte,
versäumte sie keine Versammlung.  Mit Dank
bezeugte sie oft, wie ihr der liebe Heiland in
allen Umständen, eine kindliche Zuversicht u.
vestes Vertrauen zu Ihm geschenkt habe u. daß
Er ihr in ihrer großen Armuth u. mancher
Noth oft wunderbar geholfen habe.  Davon ihr ein
Exempel gantz besonders eingedruckt geblieben,
da sie einmal gar nichts hatte ihren Kindern
zum essen zu geben u. in der Nacht darüber sehr
bekümmert gewesen, kam früh eine Nacht da sie in der grossen Verlegenheit war, ein Nachbar
u. sagte: |Barbel| es ist mir in der Nacht sehr
aufgefallen, ob du auch etwas für dich u. deine
Kinder zu essen habest!  Da habe sie geweint und
ihm gesagt, daß sie gar nichts habe u. wenn er
ihr einige Buschel Frucht lehen borgen wolle,
so wolle sie ihm danken, darauf habe er ihr
gesagt, ich will dir Mehl u. Frucht geben, ohne Be-
zahlung zu erwarten.
Schon vor 6. Jahren wurde sie vom Schlag gerührt
/// u. ob sie sich gleich wieder erholte, so merkte man
doch von da an eine Lähmung auf ihrer rechten Seite
u. Schwäche ihrer Sinnen, sie betete oft mit vielen
Thränen, zum lieben Heiland, ihr zu helfen.
Vor 4. Jahren wurde sie noch stärker vom Schlag
gerührt u. war von da an meist gantz ihrer
Sinnen beraubt, konnte auch nichts vernemliches
mehr reden u. mußte seitdem wie ein kleines
Kind behandelt werden; ihre Wäerterin die Schwester
Christina Segnerin, that es mit großer treue
und liebe tag und nacht.  Seit einem Jahr war
sie in einem besonders jammervollen Zustand,
daß man sie ohne herzliches mitleiden kaum
sehen u. ihr Wimmern hören konnte; man konnte
sie weiter nichts verstehen, als:  Ach H. Jesu, ach mein
Heiland, erbarme dich, hülf mir.[4]
In der lezten Zeit, kriegte sie noch ofene Schäden
an ihrem Leibe, dabey die Medici alle Treue be-
wiesen, ihre Schmerzen zu lindern, denn ihr leibliches
Elend war sehr gros.           Am 15t Decr da die Losung
der Gemeine hieß:  Wenn ich mitten in der Angst
wandle, so erquickest du mich.  Ps. 138, 7. Deiner kan
ich mich getrösten, wenn die Noth am allergrößten.  Du
bist gegen mich dein Kind mehr als väterlich ge-
sinnt, sahe man, daß sich ihre erlösung aus aller
Trübsaal nahete u. der Segen der Gemeine und
ihres Chors wurde ihr im Gefühl der Nähe Jesu
ertheilt, womit sie d. 16t früh recht sanft u. selig
verschied, im 82tn Jahr ihres Alters.[5]
Nun wird sie in Harmonie singen, droben
wie wir hier,  Eines hat mich durch-
gebracht, Lämmlein!  daß du bist geschlacht!


[1] Levering refers to Barbara Fenstermacher as “a zealous patroness of the second Moravian school in Germantown” (Levering, p. 568n.)
[2] “von diesen hat sie erlebt 35 Enkel u. 20 Urenkel 3 Söhne sind noch am Leben” inserted in margin
[3] “Philadelphia” inserted in margin
[4] “Dabey war sie sehr gedultig” inserted in ms
[5] “Von ihren Kindern leben noch 3. Söhne, Peter, Georg u. Martin, ersterer in Germantown u. die anderen zwey bey der Gemeine in Emaus” inserted as footnote in ms.
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