Catharina Krause (1724-1807)

Unsre sel: Schwester Catharina Kraussin geb: Ruchin
hat von ihren Lebens-lauf folgendes aufgeschrieben.

Ich bin geboren 1724 d 16tn Nov: im Elsaß in Alt-
Eckendorf.  Meine l. Eltern waren Georg u. meine l. Mutter
Elisabeth Ruchs.  Ich war ihr erstes Kind, mit welchem sie viel
auszustehn gehabt, wie meine l. Mutter sich öfters gegen mich
erklärte, daß ich ihr mehr Mühe verursacht hätte, als ihre andre
10 Kinder.  Ich habe von Kindheit an manche Rührungen vom
l. Heiland in meinem Herzen gehabt, dabey bin ich fleißig von
meinen l. Eltern zur Schule und zu allem Guten angehalten
worden.  In meinem 13tn Jahr bin ich das erstemahl zum
hl: Abendmahl gegangen, ich wurde dazu mit Handauflegung
eingesegnet, wobey ich eine Gottes-Kraft in meinem Her-
zen fühlte.  Der Herr Pfarrer gab uns den Spruch, Dein
Lebelang habe Gott vor Augen und im Herzen, und hüte dich,
daß du in keine Sünde willigest, noch thust wieder Gottes-
Gebot.  Der l. Heiland ließ mich auch fühlen wie nöthig ich
Ihn brauchte, denn ich hatte Gelegenheit genug, in alle Ver-
sündigungen zu kommen, wenn Er nicht Seine Hand über mir
gehalten hätte.  Ich wurde oft krank, u. bey jeder Krankheit
versprach ich dem l. Gott mein Leben zu beßern, u. so blieb
es immer beym guten Willen, biß in mein 20 Jahr.  Da bediente
sich der gute Hld. die [der] Gelegenheit, daß ich mir den Spruch aufschlug:  ///  Es sey denn eure Gerechtigkeit beßer, denn der Pharisaer u.Schriftgelehrten, so erst konnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Dieser Spruch war mir [wie] ein Zweyschneidigt Schwerdt in meinem
Herzen; ich weinte und suchte mir mit Bücher lesen zu helfen, aber
meine Noth wurde dabey immer größer, ich suchte in der stille in deß
Herrn Pfarrers Haus zu gehen, u. klagte ihm meine Noth mit weinen,
da sagte er mir; daß hab ich von dir geglaubt; tröstete mich mit den
Worten: wenn du dich ändern willst, so wirst du viel von deinen Groß-
Eltern auszustehen kriegen, welches auch geschah.  Sie wurden so auf-
gebracht, u. drohten mir mit Schlägen, wenn ich meine Besuche beym
hl: Pfarrer nicht unterließe, welches meine Groß-Mutter auch
einmal gethan, u. indem sie mich schlug, überfiel sie so ein Schrecken,
daß sie zurückfuhr u. sagte: dis mahl habe ich dich geschlagen,
aber nimmermehr will ich es wieder thun.  Mein Vater und Mutter
sahen dabey zu, u. meine Mutter weinte in der stille, sie gaben
besonders acht, wie ich mich betragen würde; ich war dabey stille,
und suchte mir ein Pläzgen, wo ich dem Heiland meine Umstände
vor weinen könnte.  Den Besuch beym hl: Pfarrer unterließ ich
nicht, weil ich da die schönen Lieder aus der Br: Gemeine hörte.
(Die Treue meines lieben Heilands kann ich nicht in Worte bringen)
und so verging ein ganzes Jahr, bis ich einmal einen Merkwürdigen
Traum hatte, der mich in solche Verlegenheit brachte, daß ich
gleich zu meiner Eltern Bette ging u. sie bat, sie solten den l.
Heiland mit mir bitten, daß Er sich doch meiner erbarmen möchte; ///
Meine l: Eltern wusten nicht, waß sie von mir denken solten
u. kamen in große verlegenheit meinetwegen, sie glaubten ich
würde meinen Verstand verlieren.  Mein Vater ging deswegen
zu oben vorerwehnten hl: Pfarrer um sich seinen Rath meiner Umstände wegen zu holen, der tröstete ihn mit den Wor-
ten, er solle nicht verlegen um mich seyn, ich würde darum
nicht zum Narren werden, sondern ich wäre auf dem rechten
Weg, sie solten nur darinnen nicht suchen, mich zu hindern.
Der gute Heiland hat auch darinn mein {und meiner l. Eltern} Gebet erhöret,
u. meiner Groß Eltern herz so gelenckt, daß ich ungestört zum
hl: Pfarrer in seine Haus Versammlungen gehen konnte, so oft
ich nur wolte, bey welcher Gelegenheit mir der hl: Geist einmahl
meinen verlornen Sünden Zustand recht deutlich vor die Augen
stellte, ich kriegte aber auch einen Blick von meinem Hld: der mich
tröstete mir {und} meinem Herzen mir die Versicherung gab, daß Er auch
Sein Blut für mich vergoßen hätte, u. am Kreuz auch für meine
Sünden gebüst hätte, dabey kriegte ich Freudigkeit in meinem
Herzen u. ein starckes Verlangen in einer Br: Gemeine (von der
ich oft schon gehört hatte) zu wohnen.  Aber dazu wollte sich nicht so
gleich Gelegenheit machen, ich blieb meiner Mutter zum Trost noch
bis an ihr sel. Ende bey ihr wohnen pflegte sie bis an daßelbe,
und hatte die Freude zu sehen daß sie als eine Arme Begnadigte
Sünderin im Vertrauen auf Jesu Verdienst diese Welt verließ. ///
In ihren lezten Stunden gab sie mir noch den Trost, daß ich, wenn sie
heimgegangen wäre, ung{b}ehindert zur Br: Gemeine gehen könnte,
ich mußte aber noch 2 Jahre nach meiner Mutter Heimgang die
Haus-haltungs Geschäfte bey meinem l. Vater versehn; in der
Zeit bat ich den Hld: ofte mir bald Weg u. Bahn zu machen
zur Gem: gehen zu können; Er war auch so treu gegen mich, und
machte es meinem Br: so, daß er auch so gesinnt wurde, u. wir
reisten 1750 mit unsers l: Vaters Bewilligung und Seegen ab
u. kamen d. 18tn Marz glücklich in Herrnhaag an,
Mit der schönen Loosung: Wer sein Leben verliert um meinet-
Willen, der wirds finden.  Drum hab ich alles Leben bey Zeiten
aufgegeben.  Ich war dem Hld. von Herzen danckbar daß Er nun
meinen Wunsch erfüllt, u. mich arme zu Seiner Gemeine ge-
bracht [u.] mir durch alle Schwierigkeiten so Gnädig durchhulf[geholfen hatte] und
dieses Loös bleibt mir wichtig u. groß; denn ich dachte wenn ich
nur Waßer u. Brod hätte, so wolte ich doch da aushalten, um
das zu genießen wornach mein Herze sich so lange gesehnt hatte.
Ich wurde auf dem hl: Haag zu allerley gebraucht, in der Wäsche
u. beym Brunnen, ich that alles mit willigkeit u. Treue, [u.] daß
machte mir auch alles schwere leicht.  An 1750 wurde ich in die Gem.
aufgenomen, 1751 zu Ende Oct. zum hl: Abendmahl Atmittirt.
An 1752 Im Juni erhielt ich einen Ruf nach America.  ///
Und ich reiste mit einer großen Gesellschaft nach Holland, {wir}
und kamen den 12t im Aug: in Zeist an, wo wir noch den 13tn
Aug: mit dieser Gem: feyerten, dieser Tag blieb mir immer ein
besonderer Gnaden-tag vor mein Herz.  d. 29t Aug: reisten
wir von Zeist nach England, wo ich einen Gesegneten Aufenthalt
bey dasigen Geschw: hatte, wo ich auch gelegenheit {fand} den sel: Grafen
Von Zinzendorf zu sprechen; u. nach zärtlichen Abschied von ihm
u. dasigen Br. u. Schwestern gingen wir auf das Schiff u. kamen
wohlbehalten über New York am 25t Nov: in Bethlehem an.
An 1753 im Apr: kam ich nach Nazareth zum Dienst
in der Nursery, oder Kinder Anstalts-Küche, u. von da wieder nach
Bethlehem, wo ich 1755 den 16tn Febr: mit meinem nun sel:
Mann Johann Krausse in die Ehe trat, in welchem Stand uns der
Heiland viele Gnade u. Barmherzigkeit erzeigte, und unsre Ehe
mit 3 Kindern gesegnet hat [segnete], die ich gleich bey ihrer Geburt
Ihm auf das angelegentlichste empfahl; mit der Bitte sie ganz
allein vor Ihm aufwachsen u. zu Seiner Ehre u. Freude Gedeyhen
zu laßen, welche Bitte Er mir auch zu meiner Freude gewährt
hat.  Eins davon ist mir in die Ewigkeit vorangegangen, u. von
den andern Zwey wohnt mein Sohn hier in Bethlehem+ u. meine
+{von welchem ich zwey Enkel Kinder erlebt habe}
Tochter (die an Br. Schmuck (welcher auch schon heimgegangen ist)
verheyrathet wurde {war} u. {wohnt in Nazareth} von welcher ich 6 Enkel erlebt habe,
davon zwey mir in die Ewigkeit vorangegangen sind wohnt in///
Nazareth.  Ano 1792 d: 28t Apr: wurde ich durch den Heim-
ruf meines l. Mannes in den Witwen-stand versetzt.  Bey
welcher gelegenheit ich meinem treuen heiland für die an mir
u. meinem sel. Mann in unserm Ehe-stand bewiesne Barmher-
zigkeit u. Treue von Herzen danckte; u. mich Ihm als meinen
besten Seelen-Man zur fernern Leitung u. Führung in mei-
nen Witwen-stand aufs neue übergab; daß Er sich mit Seiner
Gnade u. durchhülfe täglich zu mir bekennen u. mein Tröster
in aller Noth immer bleiben möge.
So weit die sel: Schwester selbst.
Waß ihren Gang unter uns betrifft; so können wir ihr das Zeugniß
geben, daß ihr Herz am Heiland u. der Gemeine hing, und sich
auf der Welt nichts liebers wuste, als das Wort Gottes zu hören
u. sich täglich daran zu laben u. zu erquiken, darum sie auch nie
ohne die gröste Noth eine Versammlung versäumte, sie pflegte
ofte zu sagen: wenn ich die Weide nicht mehr haben kan, wie
wird mir es als dann ergehn?  sie war oft untröstlich drüber, wie [als]
sie so Schwächlich wurde, daß sie nicht in allem Wind u. Wetter
in die Versammlung gehen konnte, u. ihre Kinder musten ihr
jedes mal alles, was in den Versammlungen geredet oder Gesungen
wurde, wiederholen, über welches sie sich wie ein Kind freute.
Seit Anfangs Oct: voriges Jahr konnte sie nicht mehr aus ///
ihrem Hauße gehen u. ihre Schwächlichkeit nahm immermehr zu,
so daß man sie seit Pfingsten wie ein Kind Pflegen und
Warten muste, welches auch ihre l. Schwieger-Tochter mit
willigkeit und unermüdeter Sorgfalt und Treue that, worüber
sie sich oft sehr danckbar gegen den l. Heiland so wie gegen die
sie Besuchenden erklärte, u. ihr Tausendfachen Seegen da-
vor wünschte; bey aller ihrer Schwachheit vergaß sie nie an allen
Festtagen u. andern Vorgängen in der Gem: den wärmsten
antheil zu nehmen, u. dem Hld: die Gem: u. alle heiden Posten
fleißig in ihrem Gebet zu empfehlen, deßgleichen auch ihre
Enkels Kinder Ihm zur Gnädigen Bewahrung an Sein Herz zu
legen;  Es gab ihr immer besondre Freude wenn ihr dieselbe etwas
aus Gemein Schriften vorlasen, da sie allemal wie von neuem
belebt u. Aufgemuntert zu seyn schien.  Am 25t Jun: zeigte
sich eine besondre Veränderung bey {ihr}, so daß man {sie} glaubte ihrem
Heimgang nahe zu seyn {glaubte}, zu dem Ende wurde ihr auch unter
noch an dem Tag der Seegen der Gem: u. ihres Chors ertheilt.
Sie erholte sich aber wieder u. wir glaubten, sie könnte noch lange
bey uns bleiben, aber am lezten Sontag d 15tn Sept: wurde
sie von einem heftigen Paroxysmus überfallen, sie lag wie im
Schlummer ohne alles Bewustseyn da; Nachmittags wurde ihr das
hl: Abendmahl gebracht, welches sie unter einem besondern
/// sel: Gefühl genoß, sie war sich ganz Gegenwärtig, sang alle
Verse vernehmlich mit, u. lag von da an stille bis den 16t
u. 17t da sie starcke Beängstigungen bekam, u. ihre Kinder
u. Enckel bat mit ihr zu Wachen u. zu beten – sie ließen
doch balde nach u. sie lag wie im sanften Schlummer bis
Nachmittag ihr Athem immer schwächer wurde, ihre Kinder
sangen ihr Heimgangs Verse unter der lezten Zeilen {des
Verses}-Komm und hol dir ihren Geist, das ists End vom Liede
flog ihre Seele sanfte in die Arme ihres Erlösers über,
{Ihn zu sehn.}  An dem sie hier geglaubt u. von ganzem Herzen und gan-
zer Seele geliebt hat.  Ihr Alter hat sie gebracht auf
82 Jahr 10 Monat und 1 Tag.

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