Johanna Christiana Parsons (1699-1773)

Unsere sel. Schw. Johanna Christiana Parsons hat folgenden
schriftln Aufsaz von sich hinterlaßen:
Ich war im May 1699 zu Quedlinburg, wohin meine Mutter zum
Besuch ihrer Eltern in ihrer hohen Schwangerschaft gegangen war,
geboren.  Meine Eltern wohnten in Eisleben;  Er, mein Vater, hieß Johan
Julius Ziehich u. meine Mutter Salome Margaretha, geb. Sprogelin.
Mein Vater war ein erweckter Mann, u. ließ sich die religeuse Erziehung
sr Kinder sehr am Herzen liegen;  Meine Mutter aber liebte lustige Ge-
sellschaft u. ob ich gleich auch sehr dazu inclinirte, so hielte ich doch die
Denkweise meines Vaters für beßer, welcher mich ofte zu den Anver-
wandten meiner Mutter, welche gottesfürchtige Leute waren, schickte,
u. uns Kinder, so lange wir zu Hause waren, immer fromme Praeceptores
hielt;  Als aber endl. meine Eltern äußerl. in solche Umstände kamen, daß
ihnen die fernere Versorgung ihrer Kinder schwer fiel, nahm mich zuerst mein Oncle
Gottfried Arnold zu sich nach Berleburg, bey welchem ich von meinem 10n
bis 13n Jahre verblieb;  Sodann kam ich zu einem von meinen andern
Onclen, welcher Prediger im Westpfälischen war.  Durch diese Begebenhei-
ten wurde ich zwar von den gewöhnln Welt-Sünden abgehalten;  Ich dachte
aber doch nicht viel ans selig werden, ob mir gleich ofte einfiel, was
mein selr Vater zu mir zu sagen pflegte, daß wir neml. von Natur
ganz verdorben wären, u. wenn ich daher nicht den l. Gott bäte, mir
ein neues Herz zu geben, er nicht wüste, was aus mir werden würde.
In meinem 17n Jahre langte mein Oncle Sprogel aus Amerika zum Be-
such sr Anverwandten in Deutschland an.  Er sahe, es ging mir hart
im äußerln, u. fragte mich, ob ich nicht mit ihm nach Pensilvanien gehen
wolte?  Ich nahm diese Anerbietung mit Freuden an, verabschiedete
mich bey meinem Oncle, welcher mich angelegendl. ermahnte, mich recht
nahe zum l. Gott zu halten, indem ich nun in eine weite Welt käme,
wo ich in beständiger Gefahr wäre, wenn ich von Ihm im geringsten
absähe,  u. trat meine Reise nach Amsterdam an, woselbst mein Oncle
Sprogel Ordre zurückgelaßen hatte, mich ihm nach England nachzuschicken.
Was für eine Bewahrung auf dieser Reise bey so vielerley beschwer gefähr-
lichen Umständen über mir gewaltet, habe ich hinternach deutl. einge-
sehen.  Hier in Pensilvanien wurde ich zuerst mit den Baptists be-
kant, deren Wandel mir mit der h. Schrift am nächsten übereinzukommen
schien.  Allein, dachte ich, die wahre Religion ist ja keine particulaire
Secte, sondern ein Werck des h. Geistes im Herzen.  Ao 1722 heirathete
ich William Parsons, in welcher Ehe ich 6 Kinder geboren, von denen nur
noch 2 Töchter am Leben sind, nl. Juliane Johanna Garrison und Juliana Horsfield.
Ich hatte große Liebe und Aestim für meinen l. Mann, u. weil ich dafür
hielt, daß er mich in der Tugend u. andern Qualitaeten weit überträfe,
so hofte ich nunmehro durch ihn auf den rechten Weg der Seligkeit gebracht
zu werden;  Als ich aber nichts fand, was meinem Herzen die gesuchte Ruhe
verschafte, gab ich alles auf.  Der treue Hld. aber ließ mich nicht;  Ich kam
in eine große Seelen-Angst.  (:Ich war damals in meinem 26n Jahr:)  meine
Hölle wurde so heiß, daß ich dachte, ich würde meinen Verstand verlieren,
u. konte auch niemand finden, mit welchem ich über meine Umstände reden
konte.  Ich eröfnete einmal meinem Mann meine große Angst;  Er redete
mir freundl. zu, ich solte nur Geduld haben, es würde wieder vorüber-
gehen;  Allein es wolte kein Trost bey mir haften.  Als ich aber einmal
ganz alleine war, u. dachte, einige Erleichterung zu finden, wenn ich mich
nur wo recht laut ausweinen konte (:denn meine Angst war so groß, daß
ich dachte, wenn mein Leib im Feuer brennte, so wäre es leichter zu ertragen,
als was ich in meinem Herzen fühlte:) lief ich ins oberste Theil des Hauses
hinauf, konte aber weiter nichts sagen, als:  Mein Gott, was soll ich thun?
Augenblickl. hörte die Agonie auf, u. ein solcher himmlischer Trost u. Licht
erfüllte mein Herz, daß ich versichert war, niemand als Gott selber, der
mich gemacht hatte, konte solches thun, ich war so voll Bewunderung u. Er-
staunen, daß ich wünschte, all mein Leben so selig bleiben, u. meinen
Schöpfer über alles lieben zu mögen, so wie ich mich vorher in der Hölle
fühlte, fühlte ich mich jezt wie im Himmel, u. der h. Geist machte meinem
Herzen den gecreuzigten Hld. dergestalt vor, als könte ich mich persönl.
mit Ihm unterhalten.  Allein nach einiger Zeit fühlte ich mein Verderben
wieder, u. wurde sehr verlegen, eine solche Seligkeit wieder nach u. nach zu
verlieren zu können, welches dann auch leider erfolgte;  Ich war zwar von dem an
mir selbst nie überlaßen, u. fühlte immer Seine Liebes-Züge; Allein die Con-
nexion, welche ich mit Ihm zu haben pflegte, verlor ich. Nun sahe ich mich
dann nach religieusen Leuten um u. wurde mit einigen bekant, welche man
the French Prophets nannte.[1]  Dazu Sie hielten mir meinen verlornen Zu-
stand von Natur vor, u. wie ich deswegen die Versöhnung Jesu Christi
im Glauben ergreifen, als ein Kind vor Ihm seyn, u. Ihm mein ganzes Herz
überlaßen muste, daß Er durch Sn Geist drinne würken, u. meine Ver-
nunft gefangen nehmen mögte.  Weil mir aber noch der wahre Glaube
an die verdienstle Menschheit Jesu mangelte, konte ich zu keiner Ge-
wißheit u. wirkln Trost gelangen, konte auch nicht die Feindschaft, welche
in dem menschln Herzen gegen dieser Haupt-Punckt unsrer Seligkeit liegt,
ob ichs gleich für sehr hart würde aufgenommen haben, wenn man mich für
einen Ungläubigen würde gehalten haben.  Die Kämpfe u. Ängste, in welche
ich mich durch das Nachdencken der differenten Lehr-Arten der Menschen brachte,
waren unbeschreiblich,  daher ich endl. alles aufgab, u. dachte: bin ich selig, so
bin ich selig,  ich kan mir weiter nicht helfen.  Ich kämpfte dann, so gut ich konte,mit meinem Verderben, tröstete mich mit der Gnade, welche ich dann u. wann
fühlte, u. las fleißig moralische Bücher, als worinnen ich ein Vergnügen fand.
Endl. Nach einiger Zeit hörte ich Mr Whitfield predigen u. wurde überzeugt, daß ich den leben-
digen Glauben ans Verdienst Jesu, welchen er recommendirte, noch nicht habe.
Dieses machte mich von neuem sehr unruhig u. der Mangel dieses des einfälti-
gen Glaubens brachte mich in große Gemüths Verwirrung, doch hatte ich noch
einige Hofnung, daß ich die Wahrheit in Jesu erkennen würde.  Endl. kamen
die Brr zu meinem großen Glück ins Land.  Die Gesellschaft, mit der ichs bisher
gehalten, suchte mich zu überreden, ihre Predigten zu besuchen:  Ich sagte aber,
weil ich bisher von der vielerley Religions Meinungen nichts als Confusion
profitiert, so wolte ich mich nun in der Absicht nach keinen Menschen mehr
umsehen.  Weils hier Indeßen freute mich doch, daß meine Kinder in die Predigt der Brr
giengen.  Meine Freunde ließen mir indeßen keine Ruhe u. bedauerten
nur, daß sie selber kein Deutsch verstünden.  Ich gieng dann hin u. hörte
den Br. Pyrlaeus mit besonderem Eindruck vom Blute Christi reden, welches
mir auf einmal mein Herz nahm:  Dieses ist es, dachte ich, was mir bisher
gefehlt hat.  Zu gleicher Zeit aber, regte sich eine solche Feindschaft in meinem
Herzen gegen den Hld, als ichs vorher nie gefühlt,  aber Seine Gnade war
mächtiger;  Er entzog sich nicht, sondern machte seine Friede in meinem Herzen
zum Schemel Sr Füße, u. ich erschien vor Ihm, wie ich war, u. sagte:  Wenn
du mir nicht helfen willst, so ist nirgends keine Hülfe.  So genoß ich dann alle
die Seligkeit, die Er mir mittheilte, u. hatte auch das Glück, zur Gemeinschaft
Sr Kinder zu gelangen.  Wolte mich was vom vorigen stören, so dachte ich:  Ich Es
habe ist mir ja die unaussprechl. Gnade zu Theil worden, zur Erkentniß meines
Erlösers zu gelangen, u. die Kraft Seines Blutes zu erfahren.  Nun kan ich sagen:
Gott lob, daß ich ein Sünder bin, bin ich noch was, so fahre es hin; seitdem allein
Jesu Blut das ist, worauf mein Herze ruht.  Ich habe nun 30 Jahre Seine Liebe er-
fahren, u. was auch für Proben äußerl. u. innerl. über mich gekommen, hat Er sich allezeit als
ein treuer Hld. bewiesen.  Ich sehe nun das herrl. Werk der Gnade, das Er in die Welt fortführet
mit Anbetung an, u. will Jesu mit Freuden entgegen gehen, wenn es Ihm beliebe wird, meinen Geist
zu sich zu rufen.    Soweit die Selige.
Als die Gem. in Philadelphia ao 1749 durch Br. Johannes von
neuem eingerichtet wurde, hatte sie die Gnade, mit derselben ein Mitge-
noß des h. AMahls zum ersten mal zu seyn.  Ihr Mann, welcher sonst
nicht ihres Sinnes war, gieng ao 1757 zu ihrem großen Trost als ein
Sünder auf Jesu Verdienst sel. aus der Zeit.  Sie führte einen stillen
Wandel, u. legitimirte sich bey den Geschw. als eine Witwe, die ihre
Hofnung auf Gott sezt.  Ao 1769 zog sie auf erhaltene Erlaubniß
hieher nach Bethlm, um ihre noch übrige kurze Sterbens-Zeit in der
Gem. zuzubringen, u. sie drückte ofte ihre Danckbarkeit gegen den
Hld. aus, daß Er sie u. ihre Kinder zur Gem. gebracht hätte.  Sie gieng
einen stillen seln Gang, war von wenig Worten, u. versäumte keine
Gelegenheit, so lange sie noch ausgehen konte.  Bey der lezteren Einrich-
tung des Stunden-Gebets wurde sie zu der Beter-Gesellschaft hinzu-
getan.  Dieses gereichte ihr zum besonderen Segen, u. sie sagte oftmals:
Ich rede wol immer mit meinem l. Hld, fühle aber doch einen aparten Se-
gen, wenn ich mit Ihm in meiner Stunde rede, u. Ihm meine u. aller Geschw.
Umstände ans Herz lege.  D. 27n Jan. dieses Jahr war sie das lezte mal
auf dem Saal zugegen.  Sie war in ihrer Kranckheit dem Willen des Hlds
überlaßen, doch, sagte sie, wenn Er mich zu Sich nähme, wäre mirs
das liebste; denn ich bin mit Ihm verstanden, es ist nichts zwischen Ihm
u. mir,  Er hat mich als eine Sünderin zu Gnaden angenommen, u. mir
Friede geschenckt.  Die Sehnsucht nach ihrer Auflösung nahm von Tag zu
Tag zu.  Als sie am 9n dieses hörte, daß Br. Horsfield heimgegangen war,
wünschte sie sich auch bald gleiches Glück, u. sagte ofte: Ach, wie gut hat Ers!
U. Tags darauf als am 10n frühe um halb 5n folgte sie ihm sanft u. sel.
nach, ihres Alters 73 Jahr und 10 Monathe.


[1] “Ich las ihre Bücher u. fand großen Segen für mein Herz darin.”  inserted interlinearly
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