Unsre sel. Schwester Maria Agnes Meyer
hat folgendes von ihrem Lebenslauf hinterlaßen:
Ich bin geboren 1714 d. 8. Aug. zu Ober-Jet-
tingen im Würtenberger Land. Meine Eltern
Joseph u. Maria Agnes Meyer haben mich sorg-
fältig vor den lieben Gott erzogen. Da ich 15 Jahr
alt war kam ich in die Fremde, und diente in
Nagolt bey 16 Jahr. Ich war von Jugend auf {wegen der Seligkeit}
oft unruhig. über mich, und suchte ein from-
es Leben zu führen; oft betete ich auf
meinen Knien im Felde zu Gott, daß Er
sich meiner erbarmen wolle, damit ich nicht
verlohren gehen möchte. In meinem 14ten
Jahr ging ich zum erstenmal zum heil. Abend-
mahl; der HErr Pfarrer betete über uns 14
Kinder mit Gottes Kraft, und segnete uns
mit Handauflegung ein. Was ich damals
gefühlt, habe ich nie wieder vergeßen; mein
Herz stand in einem zärtlichen Umgang
mit Gott 2 Jahre lang. Da ich aber nachher
in die Stadt zog, so suchte mich die Welt /// und ich kriegte sie lieb und vergnügte mich
mit ihr, aber allemal bekam ich eine Angst in
meinem Herzen. Einmal da ich mich recht lustig
machte, fühlte ich eine solche Unruhe und Ver-
legenheit, daß ich ganz laut weinte, und auf
meinen Knien im Felde zu Gott betete, daß
Er sich meiner wieder erbarmen möchte, weil
ich sahe daß mein Herz von Ihm abgekommen.
Ich machte {da} einen neuen Bund mit Ihm, von
nun an der Welt und allen wieder abzusagen.
{Und} Da ich mein Sündenelend so recht fühlte, wur-
de mir auf einmal klar, daß der Heiland
am Kreuz alle meine Sünden abgebüßt,
und auch mir erworben, davon frey gemacht
zu werden. Ich kam darauf wieder 4 Jahr
zu meiner Mutter, wo ich in der Stille blieb.
Nachdem ich wieder in die Stadt zog, hörte ich
von den Brüdern, und weil {Meister} Stotteln ein
Bruder war, und bey ihm sich die aus der
Gemeine besuchenden Geschwister immer /// aufhielten, so hielt ich bey ihm um Dienste
an, und er nahm mich ins Hauß. Endlich
kamen Geschw. Langens von der Gemeine
und logirten bey {Br} Stotteln wo ich im Hause diente.
Mein Herz wurde mit angefaßt, und da ich von
der Gemeine auf dem Herrnhaag hörte, fühlte
ich einen Trieb dieselbe zu besuchen, und reiste
1750 im Febr. dahin ab. Der Heiland kam mir {da}
so kräftig ans Herz, daß es mir unmöglich
war wieder zurück zu gehen. Ich erhielt auch
Erlaubniß bey der Gemeine zu bleiben, wo ich
im Gemein-logie und auch bey Familien diente.
In der ersten Litaney {die ich hörte} nahm der Heiland
mein Herz so ganz ein, daß ich mich Ihm
und Seiner Gemeine auf ewig ergab, nur
Seine zu seyn, und dieses hat Er mir aus
Gnaden erhalten bis diesen Augenblick.
d. 30 Aug 1750 wurde ich in die Gemeine auf-
genommen, und 1751 d. 31ten Aug hatte ich
die Gnade zum erstenmal mit der Gemei-
ne zum h. Abendmahl zu gehen, bey welcher /// Gelegenheit ich mich dem l. Heiland wieder
ganz aufs neue mit Leib und Seele hingab.
1752 im July reiste ich mit noch mehr ledigen Schwe-
stern über Holland und England nach Pensylva-
nien, und kamen am 25ten Nov. {Vorher hatten wir i} In Westmün-
ster hatten wir ein Chorabendmahl, welches
der sel. Jünger hielt, {und} die Jüngerin segnete uns
mit Handauflegnung dazu ein. Den Tag und
dieses Abendmahl werde ich in meinem Le-
ben nicht vergeßen, was mein Herz dabey
gefühlt und genoßen hat. d. 29ten Sept reisten
wir von London ab, und kamen am 25ten Nov.
hier in Bethlehem an. Es war just Gemein-
Abendmahl, bey welchem ich den l. Heiland
unter tausend Thränen gebeten, daß Er mich
auch hier selig als ein{e} armes Sünderlein{in} bey
Seinen Wunden erhalten, und mich vor allen
Abweichungen bewahren wolle. Das hat Er
auch gethan, und ich traue es Ihm zu, daß
Er es thun wird, bis ich Seine Wunden leib-
lich küßen kan. Den ersten Winter /// verbrachte ich im Chorhause recht vergnügt.
Im Frühjahr darauf kam ich in die Farm; wo
ich etwa 2 Jahr gewesen, nachher kam ich zu den
kleinen Knäbgen in die Nurserie, und zog 1755
im May mit ihnen nach Nazareth, und war
bey ihnen, bis verheyrathete Geschwister die
Nurserie übernahmen. Ich kam darauf wieder
nach Bethlehem und zwar zur Schw. Russmeyer
ihren Kindern, bey welchen ich 18 Monat blieb,
und nachdem ich sie abgegeben, wieder ins Chor-
hauß zog. 1759 kam ich zu Geschw. Horsefields
in Dienste, und bin 14 Jahr bey ihnen gewesen,
bis sie Beyde zum Heiland gegangen waren.
(In der Zeit hat mir der Heiland besonders
durchgeholfen, und habe mich in allen Um-
ständen kindlich an Ihn gehalten). Seine
Nähe und Trost habe ich unbeschreiblich ge-
fühlt, besonders in meinem Gebetsstunden.
Jezt halte ich meinen Sabbath, und dancke
dem Heiland, daß ich in meinem Chorhause
bin. Eines hat mich durchgebracht, Lämmlein /// daß Du bist geschlacht’t. Was der Hld. an.
mir Seinem armen Creatürlein gethan hat,
das bleibt zwischen Ihm und mir, und ich
werde Ihm davor dancken, wenn ich einmal
die Gnade haben werde Ihn zu sehen, und ewig
bey Ihm zu seyn.
So weit sie selbst.
Wir müßen unsrer sel. Schwester das Zeug-
niß geben, daß sie ein zärtliches und danck-
bares Herz gegen den l. Heiland hatte. Es war
ihr die größte Gnade im Chorhauße zu wohnen,
und die schönen Gottes-Dienste mit der Ge-
meine und ihrem Chore zu genießen, welche
sie auch nie ohne die größte Noth versäumte.
Ihr theilnehmendes Herz an dem ganzen
Wercke des HErrn, äußerte sich oft gar lieblich,
sie pflegte öfters zu sagen: Ich kan nichts
thun als beten und weinen, und ich weiß der
l. Heiland fordert auch nicht mehr von mir.
Ihre größte Seligkeit bestund in dem täglichen
Umgang mit dem Freund ihrer Seele, ohne /// den sagte sie, kann ich keine Stunde leben. Und
das bewieß sich auch so bis an ihr Ende.
Diesen Sommer durch hatte sie oft große Be-
klemmung auf der Brust, welches ihr zuweilen
Hoffnung machte, daß der l. Heiland sie balde
einmal geschwind zu sich nehmen würde. Wenn
es ihr manchmal zu lange werden und die
Ungedult kommen wollte, so klagte sie, daß
sie undanckbar wäre, der l. Hld. habe ihr
jederzeit gute Gesundheit verliehen, warum
solte ich das bisgen nicht ausstehen, da Er ja
vielmehr für mich ausgestanden hat. Und
so verbrachte sie ihre Zeit in beständiger
Sehnsucht nach Ihm. d. 11ten Dec. bezog sie
die Krankenstube, und hatte die lezten Tage
noch viel aus zustehen. d. 13ten bekam sie
noch ihren Antheil am h. Abendmahl, worü-
ber sie ausnehmend vergnügt war u. sagte:
ich habe es schwer, aber der l. Heiland ist
mir nahe und hilft mirs ertragen. Am
14ten früh um halb 8 Uhr trat {kam} ihr und uns /// unvermuthet der selige Moment, (bey Gelegen-
heit eines Steckflußes ein da ihre Seele) in
die Arme ihres Erlösers überging, unter dem
Segen der Gemeine und ihres Chores.
Sie hat ihr Alter gebracht auf 81 Jahr 5 Monat
und 4 Tage.