Maria Elisabeth Löschin schreibt folgendes von sich
Ich bin geboren d. 11ten Mart. 1728 in Tulpohoken
bin auch alda in der Lutherischen Kirche getaufft,
da ich ein halbes Jahr alt war, habe ich in einer
großen Kranckheit den gebrauch meines rechten
beines verloren, welches mir meine Kinder Jahre
beschwerlich machte, und mir vieles bedencken
verursachte. Vom gefühl meines Herzens wußte
ich gar nichts bis in mein 9tes Jahr, da unser
lieber Bruder Joseph ganz unvermuthet in
meines Vatters Haus kam; wir kanten Ihn nicht,
und Er uns auch nicht, Er machte sich aber mit
uns Kindern ganz besonders zu thun. Bey der
gelegenheit kriegte ich das erste gefühl in mein
Herze. Er hielte sich etliche Tage bey uns auf, er-
kundigte sich genau nach unserer erziehung,
und den lezten Abend hielt er eine durchdringende
Rede und gebett, befahl ein jedes dem Freund
der Kinder zur Pflege und erziehung. da kam
mir der Heiland so kräfttig an mein herz, und ich
kriegte einsicht in mein verderben, daß ich gar offt
dachte, es wäre keine erretung vor mich, gieng einmal
/// fast verzweifelt auf die wieße, legte mich einen
halben tag auf mein Angesicht, bettete zu gott, stund
endlich doch noch ungetröstet wieder auf, {u.} wünschte gar
offt, daß ich nicht geboren wäre<,>. Das verlor sich aber
wieder, und ich gerieth in allerley schlechte sachen,
und vergaß all mein voriges Herzens-Gefühl, bis in
mein 14tens Jahr; da wurde ich durch Br. Büttner
wieder auf mein Herz gebracht, und der l. Heiland
machte mir auch klar, ich gehöre zu der Gemeine,
wie wohl ich keinen begriff von der Gemeine hatte,
dachte aber in der Gemeine bettet eins vor das andre,
und so werden sie alle selig. Es verzog sich aber noch
bis in meinem 21. stens Jahr, da half mir der l. heiland
auf einmahl zur Gemeine, und ich lernte mich bald
gründlich kennen, und von herzen sünder werden;
bat den l. Heiland mit vielen Thränen um vergebung
meiner sünden, und erhielt sie auch. Ich konnte mit
meiner Pflegerin offenherzig und zutraulich aus-
reden, wurde auch noch daßelbe Jahr 1748 d. 10 Augst
in die gemeine aufgenomen, welches mir eine
große gnade war. Von der zeit {an} war auch nichts im
Stand, mich im Umgang mit dem l. heiland zu
stöhren. In meinem ersten Ältsten Feste in der
gemeine bin ich zu meiner großen freude und beschämung
/// Candidat {zum h. AMhl} geworden, und den 1.sten Jan. 1749. wurde
ich seines Leichnams und Blutes im hl.. Sacrament
mit der gemeine zum erstenmal theilhafftig;
wie mir dabey war, kan ich nicht beschreiben; ich gieng
meinen Gang selig, fröhlich und vergnügt.
1753. kam ich zum großen Mädgen, daß war eine
aparte schule vor mein herz, ich hielt mich kindlich
an den l. Heild; Er half mir gnädig, ich liebte sie,
und diente ihnen vom herzen nach meinem kleinen
grad. In der Zeit wurde ich Chor Jüngern welches
mir eine große gnade war; und deßen ich mich
unwürdig schäzte; wurde auch zur Acoluthie ange-
nommen, welches mich gar sehr beschämte, weil ich
mein unvermögen kannte, und glaubte, daß ich
vor den l. Heild nichts Theure könte, als Ihm mein
armes Herz geben wie es ist. denn kam ich zur
Erlernung der schneiderey; das lag mir an, und
dachte, vielleicht kan ich den geschwistern damit dienen,
ich wurde Zu {einer} Vorgesezten der Schwestern gebraucht,
welches ich von herzen nach meinem un{geringen} vermögen
besorgte und In dieser seligen Situation lebte ich
bis anno 60. da kam ich in ein gewißes Mißtrauen,
und Eigenliebe, und wurde innerlich davon geplagt
/// verlor meine Einfalt, und Zutrauen, und hatte ein
schweres leben, bis anno 65; da ich meine erste einfalt
wieder fühlte<,>. vVon da an wünschte ich meine noch übrige
Sterbens <…> Jahre im Umgang mit meinem besten Freunde
zuzubringen<,>. mMir wurde noch ein dienst bey etlichen
schwachen Kindern angetragen, {und ich besorgte es} denen habe ich 3. Jahr
{so gut als ich konte} vorgestanden, bis meine leibes kräften nicht mehr
zu langten<,>. Nun kan kam ich wieder in meinem {l.} Chor Hauße,
genoße mehr in der Stille von meinem ewigen besten
Freund als ichs beschreiben kan: Er liebt mich mehr mein
Jesus Christ, als Äusserlich zu sehen ist<,>. mMein seuffzer
ist {indeß} gar offt {gewesen:} ich wünsche aufgelößt, und bey Christo zu sein.
So weit ihr eigner Aufsaz.
[1] Im Jahr 1771 im Febr. machte sich es, daß, weil ihre l. Eltern im Gnad:
thal wohnten, sie ihre Schwächlich- und Kränklichkeit wegen sich eine Verän-
derung und bei ihren l. Eltern Zu seyn wünschte, und sich dazu, wenigstens auf
eine Zeit lang, die Erlaubnis ausbat. Sie wurde also zur gemeldeten Zeit
heraufgebracht, lebte in der Stille in ihrem angewiesenen Plätzgen, und nahm
sich nach ihrem {geschehenem} Auftrag der dort sich befindenden Schwn. und großen Mädgen,
so viel ihr mögl. war, herzl. an: {Auch} So machte {sie} sich auch immer, wenn sie nur auf
seyn konnte etwas mit im äußern, zum Dienst des Hauses, und sonst anderer
Geschw. {mit wäsche} zu thun: denn sie erholte sich bei ihren vielen Kränklichkeiten immer
wieder. Seit {Seit} 4. Wochen aber konnte sie nicht mehr von ihrem Lager aufstehen,
und sich < >ezten Segen, {bat in der Stille dem Hld} gar sehr, daß {Er} doch ihren so offt zu Ihm geschickten Seufzer erhören, und {sie} zu sich nehmen wolle; lies auch ihr liebes {Chor} zum Abschied
aufs herzl. grüßen, und für die darinne {oftmals} genoßene {viele} Gnade innigst dancken.
///Und, da sie gehört, daß die hiesige led. Schwrn würden ein AMhl haben,
so bat sie inständig darum , sie auch {ihr} Antheil daran haben<,> {zu} laßen {auch} da
es ihr nun gebracht wurd> genoß {auch} das Sacrament seines Leibes u. Blutes
mit herzl.em Verlangen und innigster Freude darüber. Wenn man {sie} fragte,
da sie noch reden konnte (denn in den 4 lezten Tagen konnte sie nichts mehr
hervor bringen, und kannte auch fast niemand) so ob sie noch was auf ihrem
Herzen und zu sagen hätte? so antwortete sie: Ich hab und weiß nichts
mehr, als daß ich eine arme Sünderin bin, und einen Hld habe, der sich
meiner Seele in Gnaden erbarmet hat, und aus Gnaden um Seines
Blutes und Todes willen zu sich in Sr Freude aufnehmen wird. Welches
Glück und Loos ihr auch gestern früh in der 7ten Stunde wiederfahren,
da sie unter dem Segen der Gem. und ihres Chors in Jesu Arm und
Schoos erblaßet, nachdem sie ihre hienieden gewallet 45 Jahr 6. Monat
weniger 1 Tag.
[1] Handschrift 2