Unsre selige Schwester Martha Hussin
geborne Wilkes, hat von ihrem Lebens-
lauf folgendes ihrer Chor-Helferin gesagt:
Ich bin geboren 1719. d. 5t Febr. zu Paris in
Frankreich, als ich 4. Jahr alt war flüchteten
meine Eltern um der Religion willen mit
mir nach England und wohnten in London.
Schon in meiner Kindheit fühlte ich oft die Gnaden-
züge des lieben Heilands ain meinem Herzen,
{doch} Bey zunehmenden Jahren regte sich das Natur-
Verderben und ich gerieth mehr in Leichtsinn
und ausschweifungen; meine Eltern suchten aber
mich sorgfältig vor schlechter Gesellschaft zu bewahren
und hielten mich immer zu Hause. 1739. wurde
ich in einer Predigt des H. Whitefields aus dem
Sünden Schlaf erweckt und fühlte daß ich ein ver-
lorener Mensch und Feind Gottes sey, ich kam darüber
in große Unruh und Noth meines Herzens und
konnte keinem Menschen meine Noth klagen;
Ich gieng in alle Kirchen, fand aber keinen Trost,
und meine Angst und Unruh wurde immer größer.
Dabey hatte auch von meinen Eltern u. Freunden
viel auszustehen, weil sie dachten: es wäre nur
Melancholie, und ich würde darüber meinen Ver-
stand gantz verlieren. Da meine Noth am Größten
war, fügte es der liebe Heiland so, daß ich mit der
sel. Schwester Mary Stonehausen bekannt wurde u. sie
nahm mich aus Mitleiden in ihr Haus u. hat mich
wie ihr Kind gehalten u. große liebe u. treue an
mir bewiesen. Ich gieng in Mr Stonehausens
/// Predigten, er preparirte mich zum h. AMahl, welches
ich in seiner Kirche das erste mal genoß und
dabey eine mächtige Gnade Gottes fühlte, aber doch
noch keine Versicherung der Vergebung meiner Sünden.
In diesem lieben Hause, lernte ich die Brüder u. viele
Geschwister kennen, besonders aber war der liebe Bruder
Joseph wie ein Vater zu mir, er mahlte mir den
lieben Heiland in seiner gantzen Marter Gestalt vor
meinen Augen und sagte, das hat Er für deine
Sünden gelitten, Er ist gestorben, daß du ewig leben
könntest! Das fuhr mir ins Herz, ich zerfloß in
Thränen, gieng u. warf mich zu den Füßen meines
Versöhners, mit allem meinem Elend u. da trat der
barmherzige Heiland selber {mir} vors Herz, gab mir die
gnädige Versicherung, daß Er mir alle meine Sünden
vergeben, daß ich Seine, und sein gantzes Verdienst
meins sey; Da hat meine Seele friede gefunden vor
seinen Augen! So weit ihre eigene Worte.
Bald nach dieser seligen Erfahrung wurde sie in die
Brüder-Gemeine aufgenommen u. heurathete 1742. den
Bruder Robert Hussey, sie kamen noch dasselbe Jahr
mit der ersten See-Gemeine nach Pensilvanien,
und waren mit bey der Einrichtung der Gemeine in
Bethlehem, die {da} bey mächtig waltende Gnade u. des Gefühls
der Nähe Jesu; sonderlich bey dem AMahl, das sie als
ein Glied seines Leibes, mitgenoß,- hat sie sich noch
in ihren lezten Stunden erinnert. Sie wurde hier
in den Kinder-Anstalten gebraucht u. sie war viele
Jahre die erste Saaldienerin u. hielt es für eine
Gnade der Gemeine zu dienen, bis es ihre Leibes
/// Schwachheit nicht länger zu lies. 1762. wurde sie
von Br. Joseph ehe er nach Europa gieng, zur
Diaconisse eingesegnet. 1775. d. 7t July wurde sie
Witwe, und zog darauf ins Chor-haus. Von ihren
5. Kindern sind ihr 4. voran zum Heiland gegangen.
Ihre noch lebende Tochter Anna, war ihr sehr zum trost,
und sie wurde von derselben, in ihrer langen
und schweren Krankheit, mit unermüdeter treue
und willigem kindlichem Herzen, bey Tag u. Nacht zärtl.
gewartet und gepflegt, welches ihr, nach der Mutter {u. unserer}
Bitten, der Heiland vergelten wird.
Ihre {Die} Chor-Arbeiterinnen geben der sel. Schwester das Zeug-
niß, daß sie eine selige vergnügte Witwe war, die
ihre Tage in stillem Umgang mit ihrem besten
Freund verbrachte, sie hatte lieb u. wurde wieder ge-
liebt. Sie war viele Jahre kräncklich, seit dritthalb
Jahren, schien es eine Auszehrung bey ihr zu werden,
Vor einem Jahr bezog sie die Krankenstube und
zu ihren andern schweren Umständen kriegte sie noch
die Wassersucht u. hatte viel auszustehen, sie war aber
bey allen Schmerzen in ihrer langen Krankheit, war
sie gedultig u. bat den Heiland oft mit Thränen, ihr
beyzustehen, daß sie es bis ans Ende gedultig er-
tragen könne, dabey sehnte sie sich gar sehr, bald zu
Ihm zu gehn, seine Wunden zu küßen, vor alle
Gnade und Barmherzigkeit, die Er an ihr seiner
Elenden gethan. Am 19t Decr abends wurde
ihr sehnlicher Wunsch erfüllt, nachdem ihr der Segen
der Gemeine u. ihres Chors, im Gefühl der Nähe
Jesu war erthielt worden; und sie gieng selig in
Jesu Arm u. Schoos über, im 72t Jahr ihres alters.