Mary Nitschmann (1740-1783)

A., Lebenslauf der seln Schw. Mar. Nitschmannin,

geborene Price.[1]

Sie schreibt selber von sich:

Ich bin geboren zu Philadelphia d. 26ten Febr. 1740.

Mein seliger Vater erzehlte mir öfters, was der l. Hld

für mich ausgestanden u. wie Er die Kinder so lieb habe;

u. bey seinem Verscheiden in meinem 6ten Jahre, hinterließ

er als seinen lezten Willen, daß ich u. meine Schwester

gleich nach seinem Heimgang zur Gemeine gebracht werden

solten, welches auch meine l. Mutter befolgte, ob es ihr

gleich Anfangs viel zu schaffen machte, uns abzugeben, weil

sie uns zärtl. liebte.  Wir kamen also im May. 1745

nach Bethlehem u. nach einiger Zeit in die Anstalt in Nazar.

Nachdem ich etwas deutsch gelernt u. die Kinder-Versamml.

verstehn konte, so gewohnte ich bald ein.  Es war damals

ein seliger Gang unter den Kindern, der mir immer ein-

drücklich geblieben ist.  Weil ich noch ungetauft war, so

wurde bey Gelegenheit, daß in den Kinderstunden von der

Tauf-Gnade geredet wurde, das Verlangen darnach bey

mir rege.  Ich wurde dann zu meiner ausnehmenden Freu-

de mit einem unvergeßln. Eindruck d. 20. Feb. 1746 durch

den lieben Br. Joseph in Jesu Tod getauft.  Vom Sept.

1747. bis a. 1753. war ich in den Anstalten in Germantown

u. Oley.  Bey alledem, daß ich mir in dieser Zeit durch meine

durchsezige Art in meinem sel. Gange vieles wunderbare

verlor ich doch in meinem Herzen das Gefühl vom Hld nicht,

u. erkannte mich, wenn ich etwas versehen hatte, als eine Sünderin.

1753.  kam ich hieher nach Bethlehem ins Mädgen-Chor, u.

verbrachte Anfangs meine Zeit recht selig im Umgang

mit dem Hld; bis ich nach u. nach von meinem Herzen ab-

kam u. in allerley schlechte Dinge gerieth.  In diesem un-

seligen Zustand verbrachte ich 2 Jahre, u. ob es gleich nicht

an Erinnerungen in meinem Herzen fehlte, so achtete ich

denselben nicht.  Da es aber um allerschlechtesten mit mir aus-

sahe, trat mir an einem Aeltesten-Fest der treue Sünder-

Freund vor mein Herz; ich wurde von meinem unseligen

Zustand überzeugt u. weinte vor Gnade u. Vergebung.

/// Es kam aber noch zu keiner rechten Standhaftigkeit in meinem

Gnaden-Gange, bis mir der l. Hld auf meine Bitte die Gnade

schenkte, mit meiner Arbeiterin ganz auszureden, worauf

es mir leicht um das Herz wurde, und ich fühlte, daß mir

der l. Heiland alles vergeben habe.  1758. d. 31ten Dec.

wurde ich zu meinem unvergeßlichen Segen ein Mitgenoß

am Leichnam und Blut des HErrn.  A. 59 d. 4tn May.

wurde ich ins Jungfern-Chor aufgenommen.  Auch in die-

sem Chor ging die Arbeit des heil. Geistes mit mir dahin,

mir immermehr mein Grund-Verderben aufzudecken, und

mich des Verdienstes Jesu froh werden zu lassen, u. ich kan

Ihm zum Preise nachsagen, daß ich viel seliges in diesem

Chore genossen habe.  Von a. 64 bis 69, war ich in Litiz

und mein Aufenthalt daselbst hat mir viel für mein

Herz ausgetragen. d. 20t Nov. besagten Jahres kam ich

wieder hieher nach Bethlehem zum Wohnen.

So weit ihre eigene Nachricht.

Sie wurde a. 1771. hier in Bethlehem mit dem sel. Br.

Paul Tiersch zur heiligen Ehe verbunden, u. nachdem sie

zu einer Diaconisse eingesegnet worden, reiste sie mit ihrem

Mann auf ihren bestimmten Posten nach Salem in der Wachau

ab;  woselbst sie nach ihren oftmaligen Anstrenngen eine

vergnügte Zeit hatte, u. es schmerzl. empfand, dieselbe durch

den Heimgang ihres l. Mannes so balde geendiget zu sehen.

Sie kam darauf im Frühjahr 1774 wieder hieher u. zog

in ihr Chorhaus ein.  Nach einem 6 jährigen vergnügten Auf-

enthalt in demselben wurde sie a. 1780 d. 17t May.

mit dem nunmehrigen Witwer Immanuel Nitschmann

zur heil. Ehe verbunden.  Sie war die ersten Jahre nach ihrer

Art munter und activ in ihrem häußlichen Geschäften; doch

konte sie sich in manche Unbequemlichkeiten, die sie gern anders

gehabt hätte, nicht recht finden, und machte sich dadurch

manche schwere Stunde; durch herzls. Zureden aber ließ sie

sich auch darüber bedeuten.  Da sie zu Anfang dieses Frühjahres

sehr über Drücken u. Engigkeit auf der Brust klagte, u. glaubte

daß eine Reise ihre Gesundheit zuträglich seyn würde, so

wurde dieselbe zu ihren Freuden nach Trenton über Philad.

/// veranstaltet.  Sie war auf dieselbe ohngeachtet ihrer Schwäche

munter, bis sie vor ihrer Abreise von Philad. hieher das

Blut-speyen kriegte.  Auf eine Aderlässe befand sie sich

so wohl, daß sie ihre Rükreise antrat, auf derselben aber

stelte sich das Blut-speyen wieder ein.  Nachdem sie zu

Hause und in Ruhe war, wurde alles zu ihrer Wiederge-

nesung gethan, es schien aber keinen Effekt zu haben, und es

ließ sich vielmehr zu einer völligen Auszehrung an.

Diese an u. vor sich beschwerliche Krankheit machte ihren von

Natur etwas empfindlichen Gemüthe manche trübe Stunden

u. sie schien sich in die Wege ihres treuen Hirten, u. wozu diese

Krankheit abziele, lange nicht recht finden zu können.

In den lezten 4 Wochen hörte man sie bisweilen in ihren

schlaflosen Nächten zum Heiland seufzen, daß er sie doch balde

aus diesem Jammerthal erlösen möchte.  Ihr leztes Abendmal

genoß sie noch mit ihrem Manne auf ihrem Krankenbette

mit hungriger u. durstiger Seele.  Am 4ten Abends wurde

sie auf einmal sehr schwach, u. rief aus: Nun gehe ich heim.

Mann unterhielt sie mit liebl.n Versen u. nach der Einsegnung

ihres Mannes ging ihre mit Jesu Blut theuer erkaufte Seele

in die Arme ihres Bräutigams über, nachdem sie hier

in dieser Wallfahrt zu gebracht 43 Jahr, 8 Monat 4

Wochen u. einen Tag.


[1] Aus dem Diarium der Gemeine in Bethlehem vom Monat November 1783.

 

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