Unsre liebe selge Schwester Benigna Zahm hat folgende kurze Nachricht von
ihrem Gang durch diese Zeit hinterlaßen.
Ich bin geb. 1748 d. 18tn Octr. in Bethlehem, u. zog noch das selbe Jahr mit meinen
l. Eltern nach Nazareth u. d. 5tn. Apr. 1750 in die Nursery. 1752 kam ich wieder nach
Bethm. in die Anstalt. Ich hatte die Kinder lieb, u. krigte auch balde ein Gefühl von
Jesu Marter u. Tod in meinem Herzen. Wenn ich es wo versehen hatte, konte ich nicht
eher ruhen u. mich zufrieden geben, bis ich vom Hld. u. meinen Vorgesezten völlige
Vergebung darüber bekam. Ich fand gar ofte Ursach, über mein Versehen vor mei-
nem besten Hld. in der Stille zu weinen, Er ließ mich auch nie ungetröstet.
1760 d. 26tn. Febr. da die Loosung hieß ‘Wenn wir aber unsre Sünde bekennen, so
vergiebt Er uns nach Seinem treuen Herzen, u. nach Seiner Heiligkeit macht Er
uns von allem los, was unrichtig ist. Am Tag des Gerichts, im Auge des Lichts
wirds offenbar seyn wies Blut der Besprengung, die Kleider hält rein! über
welche Br. Petrus Böhler uns eine nachdrückliche Rede hielt, kam eine beson-
dre Gnadenheimsuchung über die größern Kinder; der heil. Geist zeigte uns gar
manches das bey uns vorgekommen u. nicht mit dem Sinn u. Herzen des Hlds.
übereinstimmte, wir kamen darüber in große Verlegenheit, bekannten unsre Ver-
sehen dem Hld., redeten auch offenherzig mit unsrer Arbeiterinn darüber aus,
welche uns mit alle unserm elend zum Hld. wieß, u. Er war auch so gnädig
u. schenkte uns völlige Vergebung u. Absolution. Dieser Vorgang u. der ein-
druck davon, u. was es mir für mein Herz u. künftgen Gang ausgetragen,
wird mir ewig unvergeßen bleiben. Nun konnte ich mir das lezte Jahr, das
ich noch im Kinderchore zu verbringen hatte, recht zu Nutze machen. Ich
kam in einen zärtlichen Umgang mit dem l. Hld.. Abends wenn ich mich
zu Bette legte war mir das ein Lieblings-Plätzgen, wo ich mit dem besten
Kinder Freunde so ganz ungestört ausreden konnte, o wie wohl war mir!
u. wie innig Nahe war Er meinem Herzen! Die Versammlungen der Kinder
waren mir groß u. wichtig, u. gereichten mir zu wahrem Segen für mein
armes Herz. Die Abendmahlstage machte ich mir auch damals schon zu
nutze, besonders wenn die Gemeine auf dem Saal beysammen war, da ging
ich gerne in die Stille vor mich, um mit dem l. Hld. zu reden, u. krigte
gar ofte bey solchen Unterredungen mit Ihm, den seligsten Gnaden Anblick
von Ihm; bey einer solchen Unterredung mit meinen Freund u. Liebhaber
wurde mir einstmalen mein Glück in einer Gem. Jesu geboren zu seyn, u.
erzogen zu werden, so groß u. wichtig, dß ich meinem Heiland unter tausend
Thränen dafür dankte. d. 25tn. Merz 1761 wurde ich ins größre Mädgenchor
aufgenommen, bey dieser Gelegenheit gab ich mich dem lieben Heiland aufs
neue hin, u. bat Ihn, Sich meiner in diesem Chore besonders anzunehmen.///
Mein Verlangen ging auch balde dahin, in die Gemeine aufgenommen zu werden,
u. manches thränlein weinte ich meinem besten Freunde darüber in Sein treues
Herz; Er ließ sich auch gar balde erbitten, denn noch in demselben Jahre den
6tn. Decr. gewährte Er mir meine Bitte. Mein Herz zerfloß für Schaam u.
Beugung darüber zu meines Hlds Füßen. Nun fand ich, daß mein Verlangen
noch nicht ganz gestillt war. Eine neue Sehnsucht wurde bey mir rege; die ging
dahin, doch balde des Leichnams u. Blutes meines Heilands im heil. Abendmahl
theilhaftig zu werden; dabey blieb aber dennoch meine haupt Bitte, daß Er mich
erst recht bekannt wolle mit Sich u. Seinem ganzen verdienstlichen Leiden u.
Sterben machen, daß ich davon einen recht tiefen Eindruck bekommen möge,
der Gemein Gnaden würde Er gewiß zur rechten Zeit mich theilhaftig machen;
so war es auch, ich durfte nicht lange warten, denn den 8tn. May wiederfuhr
mir die unbeschreiblich große Gnade, den Leichnam u. das Blut meines für mich
gemarterten Freundes zum erstenmal im heil. Abendmahl zu genießen, u. mir
war himmlisch wohl dabey. Ich erinnerte mich gar ofte nachher an diesen erstma-
ligen Genuß des heil. Abendmahls, wie auch an das lezte Jahr welches ich so
selig u. vergnügt im Kinderchore verbrachte. Auch die zwey ersten Jahre im
Mädgenchore werde ich nie vergeßen, u. was mein Herz damals im stillem Um-
gang mit meinem Ungesehenen, aber sehr innig nahen Freunde genoß.
Je älter ich aber wurde, desto mehr wachte das in mir wohnende nicht Gute auf;
ich merkte auch zu meinen Schmerz, daß mein Herz nicht mehr so ganz in dem
ununterbrochenen Umgang mit meinem Heilande stand, auch daß mir die Auf-
richtigkeit des Herzens fehlte, welches mir oft heiße Thränen auspreßte u.
mich brünstig zum Heiland flehen machte. Aber auch hierinnen ließ Er sich von mir
erbitten; Er schenkte mir Muth u. Freudigkeit, mich meiner Chorarbeiterinn eben
so darzustellen, wie ich war; sie wieß mich mit alle meinem Elende zu Jesu
Füßen, u. ich wagte mich darauf getrost zu dem mir eigentlich so lieben Plätz-
gen, weinte mich recht satt, stammlete Ihm mein elend vor, so gut ichs eben
konnte, u. ungetröstet ging ich auch nicht von der Stelle, nein, mir wiederfuhr Gna-
de u. Barmherzigkeit: Von da an wurde es mir klar, daß die Aufrichtigkeit
des Herzens ein nothwendiges Stück sey, um seinen Gang selig u. vergnügt zu
gehen. 1766 im August kam ich zu den Kindern. Die ersten paar Jahre hatte
ich eine wahr Schule durchzugehen; ich wünschte dahero ofte wieder von diesem
Posten, der mir wirklich schwer fiel, abgelöst zu werden, aber bey der Gelegen-
heit, als ich 8 Wochen auf der Krankenstube verbringen mußte / ich hatte neml.
meinen Fuß mit kochendem Waßer verbrant u. es wurde sehr böse / dachte ich ///
ernstlich darüber nach, ob nicht der l. Heiland mir damit etwas sagen wollte; ich wein-
te in dieser Zeit Ihm gar vieles vor, u. bat Ihn, daß, wenn es Sein gnädiger Wille
sey, daß ich bey dem Dienst der Kinder etwas nütze werden sollte, Er mir selber
diesen Dienst zur Gnade machen möchte; Er that es auch, denn an dem Tag, da
ich die Krankenstube wieder verlaßen konnte, erfüllte mir der Hld. mein Herz
mit Trost u. Freude, u. ich konnte zuversichtlich hoffen, daß Er mir durch alles
schwere hindurch helfen würde. 1767 d. 4t. May wurde ich ins Jungfernchor
aufgenommen; ich gab mich aufs neue dem Bräutgam meiner Seelen hin u.
machte den Bund mit Ihm, Sein treues Jungfräulein zu werden u. zu bleiben.
Ich fühlte Seine gnaden Gegenwart den ganzen Tag aufs seligste, ganz besonders
aber beym Genuß des heil. Abendmahls, welches wir zum Beschluß dieses seligen
Festes hatten. Wie mir dabey zu Muthe war, besonders da ich auf meinem
Angesichte lag u. Seinen Leichman genoß, kan ich nicht beschreiben; ich fühl-
te etwas, das ich vorher noch bey keinem Abendmahl gefühlt hatte; ich hätte
mögen auf meinem Angesichte liegen bleiben, u. mich zu Ihm hinweinen. Von
da an blieben mir die Chor Abendmahle immer besonders schätzbar. In diesem
mir so lieben Chore lernte ich mich in der Schule des heil. Geistes auch immer
beßer kennen; ich wurde gar ofte gewahr daß ich ein armes sündigs Wesen bin,
das ohne den Hld. nicht zurecht kommen kan. 1770 d. 11tn. Merz in einer Gemein-
Stunde welche der sel. Br. Thrane über die Loosung hielt ‘Ich hielt meinen
Rücken dar denen die mich schlugen. Die Geißeln u. die Banden, u. was du
ausgestanden, das hat verdienet meine Seel: War es mir als stünden alle
meine Sünden, welche ich in meinen Leben begangen, mir auf einmal vor den
Augen da, mit welchen ich meinen gemarterten Heiland schon ofte wieder, gleich-
sam aufs neue gegeißelt hatte; u. es überfiel mich zuerst eine Angst, die
mich zittern machte; endl. aber brach ich in ein starkes weinen aus, ich bat
den l. Heiland flehentl. mir doch alles zu vergeben, welches Er auch that.
Von nun an, wurde mir die Sünde, ja alles das, wozu ich bisher noch Nei-
gung gefühlt hatte, zum Ekel, u. ich wollte gar nichts mehr damit zu thun ha-
ben; wurde aber zuweilen etwas davon wieder bey mir rege, so klagte ich es dem
l. Hld. mit vielen Thränen, u. sagte Ihm ins Herz u. Ohr, Du weißt ja, daß ich
nichts mehr will damit zu thun haben, darum befreye mich doch ganz davon, u.
Er erhörte mich, denn ich fühlte wirklich daß die Kraft aus Seinem Verdienst u.
Leiden das Verderben immer mehr u. mehr in mir ertödtete. Der heil. Geist machte
mir auch damals das ganze Leiden meines lieben Heilandes sehr klar u. deutlich, u.
ich bekam einen tiefen Eindruck davon, der mir auch geblieben. Ich konte mit warhaftigen ///
Herzen denken — “Die Geißeln u. die Banden, u. was Er ausgestanden, das hat
verdient meine Seel.” Ja wenn ich mir Seine Marterschöne bedachte, u. mit
Ihm darüber ins Gespräch kam, so wurde es mir allemal so, wie es in dem
Vers ausgedrückt ist — Mein Herze wird mir Rege, wenn ich die heftgen Schläge
auf Seinen Rücken seh, so wie sie ihn zerfleischen, den reinen Leib den Keu-
schen, ach so gefält Er meiner Seel!
1772. d. 26n. Octr. als das Stundengebet wieder aufs neue eingerichtet wurde,
wiederfuhr mir die Gnade ganz ohne mein Vermuthen, ein Mitglied deßelben
zu werden; was mein armes Herz da genoß, wenn ich so alleine mit meinen Un-
gesehenen, mir aber sehr nahen Freunde so herzvertraulich Reden konnte, u. Ihm
meine eigne Bedürfniße, die Angelegenheiten meines mir so lieben Chores u. jeder
einzelnen Person, das Wohl u. Wehe der ganzen Br. Unität, der Heiden Posten,
der erziehungs Anstalten, ja alles was Seine Gemeine u. ihre Claßen anbe-
langt, ans Herz legte, u. welchen reichen Segen ich davon geerntet habe; dazu
fehlen mir Worte, mich nach Wunsch auszudrücken. So bekam ich auch in
diesem Jahre zu Weyhnachten, einen tiefen, u. bleibenden Eindruck von der Mensch-
werdung meines l. Heilandes, so daß mein Herz in vielen Thränen zerfloß;
u. Tages darauf, als am Christage bey unserm Chor-Anbeten konnte ich mir
das Verdienst Seiner heil. Menschwerdung ganz besonders zueignen, u. dankte
Ihm besonders dafür, daß Er im Leibe eines Jungfräuleins, unser Sterbendes
Gebeine angenommen, u. freute mich, daß auch ich, alle die Segen, die in Sei-
ner heil. Menschwerdung liegen für Leib u. Seele genießen u. benutzen kan.
Zum Beschluß des 1775 en. Jahres kam ich in eine eigene Verlegenheit darüber,
daß ich noch nicht in allen Sticken dem Exempel, welches mir Sein heiliger
Wandel auf Erden vorhielt, nach käme, ja ich fand mich weit zurücke, ich konte
noch nicht so denken, Reden u thun, wie mein Jesus, wie Er auf Erden, dachte, redete
u. handelte. Ich betete imbrünstig zu Ihm, mich Seinem Vorbilde doch immer ähnlicher
zu machen, ja mich ganz u. gar hinein zu gestalten; ich fühlte dabey Seine selige
Nähe auf die kräftigste Weise, u. bekam von Ihm die Versicherung in meinem
Herzen – Daß Er mir wird halten, Seinen Theuren Eid, daß ich noch soll werden,
Seine ganze Freud.
So weit Sie selbst.
1779 d. 4n. Septr. Nachdem die Mädgen-Anstalt allhier, von Zeit zu Zeit immer kleiner
wurde, u. die damalige Arbeiterin der Kinder, die sel. Schwester Esther Wappler,
welche bis dahin in der Anstalt gewohnt hatte, ins Schwr. Hauß zog, wurde sie auch
aus ihrem 13 Jährigen Dienst in der Anstalt entlaßen. Die treue Bedienung ///
welche Sie eben gedachter Schwester die ganze Zeit während ihres Dienstes in der
Anstalt, u. noch viele Jahre im Chor Hause bis an der sel. Schw. Ende geleistet
mit der grösten Willigkeit, hat Sie unter uns sehr legitimirt. Was aber
ihren Dienst bey der Schule, u. der Erziehung der Kinder betrift, hat ihr demü-
thiger u. niedriger Sinn, ihr nicht erlaubt, etwas davon zu sagen, auch hat sie
schriftlich u. mündl. hinterlaßen, daß man nach ihrem Heimgange nicht viel von
Ihr sagen sollte, denn Sie hätte ja doch nichts als Armuth u. Elend aufgewei-
sen, u. alles was gutes an Ihr gewesen wäre, sey ja doch nur lauter unver-
diente Gnade u. Barmherzigkeit ihres treuen u. guten Heilandes gewesen.
Dennoch können diejenigen welche ihren guten, u. treuen Unterricht u. Erziehung
genoßen, nicht ganz schweigen. Gleichwol soll nur so viel gesagt werden,
daß Sie unermüdet treu u. Wachsam bey Tag u. Nacht gewesen, u. den
Schul-Unterricht aufs beste u. pünktlichste besorgt hat. Was ihr aber über
alles nah am Herzen lag, war das gedeihen der ihrer pflege anbefohlnen
Kinder; Sie benuzte jede Gelegenheit ihnen die Liebe des Hlds. gegen Sie
anzupreisen, u. ihre Liebe gegen Ihn rege zu machen, sie Verse lernen
zu laßen die davon handelten, u. sie öfters mit ihnen zu singen. Ihr
Dienst ist, u. wird immer allen denjenigen, welche ihn genoßen, ein seliges u.
angenehmes Andenken bleiben.
In eben gedachtem Jahre wurde Sie mit noch mehreren Schwn. zur Acoluthie
angenommen. Sie verbrachte nun ihre Zeit im stillen Umgang mit dem Freun-
de ihrer Seelen auf einer Schwn. Stube recht Vergnügt, bis Sie im Jahr
1790 sich wieder von Herzen willig finden ließ, als Vorgesezte bey den größern
Mädgen zu dienen, in welchem Dienst Sie auch bis zu ihrer lezten Krank-
heit, u. bis 5 Wochen vor ihrem Ende verblieb. Ihr Wohlseyn lag ihr nahe
am Herzen, u. gar manchen Seufzer u. stilles Thränelein weinte Sie ihret-
wegen zu Jesu Füßen, u. Er, der kein Seufzerlein vergißet, kein Thräne-
lein vermißet, wird uns auch noch, wie wir hoffen, reiche Früchte davon
sehen laßen.
Was ihren eigentlichen Caracter betrift so bekennen ihre Chorverwante vereinh.
daß Sie wirklich eine Elende des Herrn war. Ihre vorzügliche Gabe u. Geduld
mit der Jugend umzugehen; ihre willigkeit, andern zu dienen ohne rücksicht
auf sich selbst; Ihr zärtlicher Umgang mit dem Freund ihrer Seelen, leuchtete
hervor aus ihrem ganzen Handel u. Wandel; Ihr heiteres, frohes u. seliges
Wesen, Ihre überaus schöne Singgabe, mit welcher sie ihrem Chore täglich ///
u. der ganzen Gemeine öfters zur Erbauung war; Ihr Geschmack an den Chor
u. Gemeine Versammlungen, lehrten Sie uns als ein Kleinod schätzen, u. ihr
allzufrühzeitiger Verlust wird von unserm ganzen Chore betrauert — Doch
wir schweigen — Der HErr hats gethan ! Uns war Sie lieb u. werth, Ihm
aber zu theuer, Sie uns noch länger zu laßen.
Ihre lezte Krankheit war eine Auszehrung, welche wol die folge von
einem hitzigen Gallen Fieber war, von welchem Sie vergangenes Jahr im
Monath Merz heftig überfallen wurde, sich aber gegen alles vermuthen
so ziemlich wieder erholte, bis zu Anfang dieses Jahrs, der Husten welchen
die lezte harte Krankheit zurücke gelaßen, immer heftiger u. beschwerlicher
wurde. Sie blieb aber dabey heiter u. vergnügt, besorgte auch ihre Ge-
schäfte so viel möglich, bis Sie am vergangenen 25n. Febr. von einer großen
Schwäche überfallen wurde, u. die Krankenstube beziehen mußte. Aber
weder Sie noch wir glaubten, daß Sie ihrem Ende so nahe wäre. Am
29n. Merz, als am Grünendonnerstag, wurde Sie in aller früh mit
heftiger Beklemmung auf der Brust befallen, u. es ließ sich gar balde
merken, daß der Liebhaber ihrer Seelen, mit ihrer Vollendung eile.
Als man ihr sagte, es schien, als ob der l. Hld. Sie nun bald zu Sich heim-
holen würde, lächelte Sie, u. sagte, ich bins nicht werth, daß Ers so
schöne mit mir macht! Doch, Er kömmt mir nie zu früh, je eher, je lieber!
Merkwürdig war es uns, daß ihr Heimgangstag nach ihrem Wunsch aus-
fiel; Sie äußerte öfters, noch in Gesunden tagen, Sie wüßte sich nichts
schöners, als wenn einmal der Charfreytag ihr Heimgangstag seyn könnte;
so traf sichs auch, denn am 30n. Merz ganz frühe in der ersten Stunde,
entschlief Sie unter dem Segen der Gemeine u. ihres Chors, auf eine
recht sanfte Weise.
Ihr alter hat Sie gebracht auf 55 Jahr 5 Monath u. 12 Tage.
Seligs Gnaden-Kind!
Sanfte u. geschwind,
Gingst Du ein in ew’ge Freuden;
Da von Kummer, Angst u. Leiden
Dir nichts mehr bewust,
Nah an Jesu Brust.///
Nun trinkt Deine Seel
Lauter Freuden-Oel;
Lauter Seligkeit u. Wonne
Giebt Dir nun die ewge Sonne,
Die mit ihrem Strahl
Dir durch’s finstre Thal
Dieser Erd geleucht’t
Bis Du hast erreicht
Deinen Platz in ew’gen Hütten
Wo das Lamm thront in der Mitten,
Das für uns geschlacht’t
Und Dich durchgebracht:
Schöne durchgebracht!
Dich ganz froh gemacht
Seines Heils.- Die theuren Wunden
Waren Dir zu allen Stunden
Wonne, Fried u. Freud,
Leben, Seligkeit.
Ganz, u. nur allein
Wollt’st Du Seine seyn
Warst es auch — zu Jesu Preise
Sey’s gesagt laut, oder leise.
Dir war’s anzusehn,
Was an Dir geschehn.
Sanftmuth, Niedrigkeit
Armuth, Herzlichkeit,
Ein so schön als tiefes Beugen
Waren Dir vorzüglich eigen.
Treue, Pünktlichkeit
Waren allezeit
Deine Zierde hie.
Mit was treu u. Müh
Pflegt’st Du Jugend zu erziehen,
Lehrtest sie das böse fliehen.
Manches Thränelein
Floß ins Herze Sein.
Auch für ihr gedeihn,
Für ihr selig seyn,///
Daß sie stets als gute Reben
Möchten an dem Weinstock kleben,
Und in Ihm allein
Nur erfunden seyn.
Dafür rufen Sie:
Dank HErr ihrer Müh!
Gib Ihr auch um unsertwegen
Dafür ewig einen Segen!
Nicht ein Seufzerlein
Laß vergeßen seyn!
So empfehl nun schon
Treuer Mägde Lohn
Zu den durchgegrabnen Füßen,
Die Du tausendmal wirst küßen
Für dein Gnaden-Loos,
Welches wahrlich groß!
Jed’s gönnt Dir Dein Glück.
Wir, die noch zurück,
Wollen gläubig darauf hoffen,
Daß dereinst für uns auch offen
Jesu Arm u. Schooß.
O welch lieblich Loos!